König Drosselbart

von Brüder Grimm

~8 Min

Ein König hat­te eine Tochter, die war über alle Massen schön, aber dabei so stolz und über­mütig, dass ihr kein Freier gut genug war. Sie wies einen nach dem andern ab, und trieb noch dazu Spott mit ihnen. Ein­mal liess der König ein gross­es Fest anstellen, und ladete dazu aus der Nähe und Ferne die heirat­slusti­gen Män­ner ein. Sie wur­den alle in eine Rei­he nach Rang und Stand geord­net; erst kamen die Könige, dann die Herzöge, die Fürsten, Grafen und Frei­her­rn, zulet­zt die Edelleute. Nun ward die Königstochter durch die Rei­hen geführt, aber an jedem hat­te sie etwas auszuset­zen. Der eine war ihr zu dick, das Wein­fass!‘ sprach sie. Der andere zu lang, lang und schwank hat keinen Gang.‘ Der dritte zu kurz, kurz und dick hat kein Geschick.‘ Der vierte zu blass, der ble­iche Tod!‘ der fün­fte zu rot, der Zin­shahn!‘ der sech­ste war nicht ger­ad genug, grünes Holz, hin­term Ofen getrock­net!‘ Und so hat­te sie an einem jeden etwas auszuset­zen, beson­ders aber machte sie sich über einen guten König lustig, der ganz oben stand und dem das Kinn ein wenig krumm gewach­sen war. Ei,‘ rief sie und lachte, der hat ein Kinn, wie die Drossel einen Schn­abel;, und seit der Zeit bekam er den Namen

D r o s s e l b a r t. Der alte König aber, als er sah, dass seine Tochter nichts tat als über die Leute spot­ten, und alle Freier, die da ver­sam­melt waren, ver­schmähte, ward er zornig und schwur, sie sollte den ersten besten Bet­tler zum Manne nehmen, der vor seine Türe käme.

Ein paar Tage darauf hub ein Spiel­mann an unter dem Fen­ster zu sin­gen, um damit ein geringes Almosen zu ver­di­enen. Als es der König hörte, sprach er lasst ihn her­aufkom­men.‘ Da trat der Spiel­mann in seinen schmutzi­gen ver­lumpten Klei­dern here­in, sang vor dem König und sein­er Tochter, und bat, als er fer­tig war, um eine milde Gabe. Der König sprach dein Gesang hat mir so wohl gefall­en, dass ich dir meine Tochter da zur Frau geben will.‘ Die Königstochter erschrak, aber der König sagte ich habe den Eid getan, dich dem ersten besten Bet­tel­mann zu geben, den will ich auch hal­ten.‘ Es half keine Einrede, der Pfar­rer ward geholt, und sie musste sich gle­ich mit dem Spiel­mann trauen lassen. Als das geschehen war, sprach der König nun schickt sichs nicht, dass du als ein Bet­tel­weib noch Iänger in meinem Schloss bleib­st, du kannst nur mit deinem Manne fortziehen.‘

Der Bet­tel­mann führte sie an der Hand hin­aus, und sie musste mit ihm zu Fuss fort­ge­hen. Als sie in einen grossen Wald kamen, da fragte sie

ach, wem gehört der schöne Wald?‘

Der gehört dem König Drosselbart;

hättst du’n genom­men, so wär er dein.‘

Ich arme Jungfer zart, ach, hätt ich genom­men den König Drosselbart!‘

Darauf kamen sie über eine Wiese, da fragte sie wieder

wem gehört die schöne grüne Wiese?‘

Sie gehört dem König Drosselbart;

hättst du’n genom­men, so wär sie dein.‘

Ich arme Jungfer zart‘ ach, hätt ich genom­men den König Drosselbart!‘

Dann kamen sie durch eine grosse Stadt, da fragte sie wieder

wem gehört diese schöne grosse Stadt?‘

Sie gehört dem König Drosselbart;

hättst du’n genom­men, so wär sie dein.‘

Ich arme Jungfer zart, ach, hätt ich genom­men den König Drosselbart!‘

Es gefällt mir gar nicht,‘ sprach der Spiel­mann, dass du dir immer einen andern zum Mann wün­schest: bin ich dir nicht gut genug?‘ Endlich kamen sie an ein ganz kleines Häuschen, da sprach sie

ach, Gott, was ist das Haus so klein!

wem mag das elende winzige Häuschen sein?‘

Der Spiel­mann antwortete das ist mein und dein Haus, wo wir zusam­men wohnen.‘ Sie musste sich bück­en, damit sie zu der niedri­gen Tür hineinkam. Wo sind die Diener?‘ sprach die Königstochter. Was Diener!‘ antwortete der Bet­tel­mann, du musst sel­ber tun, was du willst getan haben. Mach nur gle­ich Feuer an und stell Wass­er auf, dass du mir mein Essen kochst; ich bin ganz müde.‘ Die Königstochter ver­stand aber nichts vom Feuer­an­machen und Kochen, und der Bet­tel­mann musste sel­ber mit Hand anle­gen, dass es noch so lei­dlich ging. Als sie die schmale Kost verzehrt hat­ten, legten sie sich zu Bett: aber am Mor­gen trieb er sie schon ganz früh her­aus, weil sie das Haus besor­gen sollte. Ein paar Tage lebten sie auf diese Art schlecht und recht, und zehrten ihren Vor­rat auf. Da sprach der Mann Frau, so gehts nicht länger, dass wir hier zehren und nichts ver­di­enen. Du sollst Körbe flecht­en.‘ Er ging aus, schnitt Wei­den und brachte sie heim: da fing sie an zu flecht­en, aber die harten Wei­den stachen ihr die zarten Hände wund. Ich sehe, das geht nicht,‘ sprach der Mann, spinn lieber, vielle­icht kannst du das bess­er.‘ Sie set­zte sich hin und ver­suchte zu spin­nen, aber der harte Faden schnitt ihr bald in die weichen Fin­ger, dass das Blut daran herun­ter­lief. Siehst du,‘ sprach der Mann, du taugst zu kein­er Arbeit, mit dir bin ich schlimm angekom­men. Nun will ichs ver­suchen, und einen Han­del mit Töpfen und ird­en­em Geschirr anfan­gen: du sollst dich auf den Markt set­zen und die Ware feil hal­ten.‘ Ach,‘ dachte sie, wenn auf den Markt Leute aus meines Vaters Reich kom­men, und sehen mich da sitzen und feil hal­ten, wie wer­den sie mich verspot­ten!‘ Aber es half nichts, sie musste sich fügen, wenn sie nicht Hungers ster­ben woll­ten. Das erstemal gings gut, denn die Leute kauften der Frau, weil sie schön war, gern ihre Ware ab, und bezahlten, was sie forderte: ja, viele gaben ihr das Geld, und liessen ihr die Töpfe noch dazu . Nun lebten sie von dem Erwor­be­nen, solange es dauerte, da han­delte der Mann wieder eine Menge neues Geschirr ein. Sie set­zte sich damit an eine Ecke des Mark­tes, und stellte es um sich her und hielt feil. Da kam plöt­zlich ein trunk­en­er Husar daherge­jagt, und ritt ger­adezu in die Töpfe hinein, dass alles in tausend Scher­ben zer­sprang. Sie fing an zu weinen und wusste vor Angst nicht, was sie anfan­gen sollte. Ach, wie wird mirs erge­hen!‘ rief sie, was wird mein Mann dazu sagen!‘ Sie lief heim und erzählte ihm das Unglück. Wer set­zt sich auch an die Ecke des Mark­tes mit ird­en­em Geschirr!‘ sprach der Mann, lass nur das Weinen, ich sehe wohl, du bist zu kein­er ordentlichen Arbeit zu gebrauchen. Da bin ich in unseres Königs Schloss gewe­sen und habe gefragt, ob sie nicht eine Küchen­magd brauchen kön­nten, und sie haben mir ver­sprochen, sie woll­ten dich dazu nehmen; dafür bekommst du freies Essen.‘

Nun ward die Königstochter eine Küchen­magd, musste dem Koch zur Hand gehen und die sauer­ste Arbeit tun. Sie machte sich in bei­den Taschen ein Töpfchen fest, darin brachte sie nach Haus was ihr von dem Übrigge­bliebe­nen zuteil ward, und davon nährten sie sich. Es trug sich zu, dass die Hochzeit des ältesten Königssohnes sollte gefeiert wer­den, da ging die arme Frau hin­auf, stellte sich vor die Saaltüre und wollte zuse­hen. Als nun die Lichter angezün­det waren, und immer ein­er schön­er als der andere here­in­trat, und alles voll Pracht und Her­rlichkeit war, da dachte sie mit betrübtem Herzen an ihr Schick­sal und ver­wün­schte ihren Stolz und Über­mut, der sie erniedrigt und in so grosse Armut gestürzt hat­te. Von den köstlichen Speisen, die da ein- und aus­ge­tra­gen wur­den, und von welchen der Geruch zu ihr auf­stieg, war­fen ihr Diener manch­mal ein paar Brock­en zu, die tat sie in ihr Töpfchen und wollte es heim­tra­gen. Auf ein­mal trat der Königssohn here­in, war in Samt und Sei­de gek­lei­det und hat­te gold­ene Ket­ten um den Hals. Und als er die schöne Frau in der Türe ste­hen sah, ergriff er sie bei der Hand und wollte mit ihr tanzen, aber sie weigerte sich und erschrak, denn sie sah, dass es der König Drossel­bart war, der um sie gefre­it und den sie mit Spott abgewiesen hat­te. Ihr Sträuben half nichts, er zog sie in den Saal: da zer­riss das Band, an welchem die Taschen hin­gen, und die Töpfe fie­len her­aus, dass die Suppe floss und die Brock­en umher­sprangen. Und wie das die Leute sahen, ent­stand ein all­ge­meines Gelächter und Spot­ten, und sie war so beschämt, dass sie sich lieber tausend Klafter unter die Erde gewün­scht hätte. Sie sprang zur Türe hin­aus und wollte ent­fliehen, aber auf der Treppe holte sie ein Mann ein und brachte sie zurück: und wie sie ihn ansah, war es wieder der König Drossel­bart. Er sprach ihr fre­undlich zu fürchte dich nicht, ich und der Spiel­mann, der mit dir in dem elen­den Häuschen gewohnt hat, sind eins: dir zuliebe habe ich mich so ver­stellt, und der Husar, der dir die Töpfe entzweigerit­ten hat, bin ich auch gewe­sen. Das alles ist geschehen, um deinen stolzen Sinn zu beu­gen und dich für deinen Hochmut zu strafen, wom­it du mich verspot­tet hast.‘ Da weinte sie bit­ter­lich und sagte ich habe gross­es Unrecht gehabt und bin nicht wert, deine Frau zu sein.‘ Er aber sprach tröste dich, die bösen Tage sind vorüber, jet­zt wollen wir unsere Hochzeit feiern.‘ Da kamen die Kam­mer­frauen und tat­en ihr die prächtig­sten Klei­der an, und ihr Vater kam und der ganze Hof, und wün­scht­en ihr Glück zu ihrer Ver­mäh­lung mit dem König Drossel­bart, und die rechte Freude fing jet­zt erst an. Ich wollte, du und ich, wir wären auch dabei gewesen.